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 Bargirls

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Courti
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Anmeldungsdatum: 11.06.2007
Beiträge: 4421
Wohnort: Bayern


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BeitragVerfasst am: 19.02.2015, 00:40    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Zunächst mal möchte ich eines anmerken: Es hat mich ausserordentlich gefreut, dass hier doch noch eine Diskussion entstand. Das ist für mich sehr wertvoll, da es interessante Sichtweisen sind - und zwar solche, die ich angesichts eures Hintergrunds einzuordnen weiss und die aus einer anderen Perspektive sind, als sie mir möglich wäre. Da ich mittlerweile leider nicht mehr so regelmässig und so lang nach Vietnam zu Besuch kommen kann, fehlen mir genau diese Erfahrungen. Was mir bleibt, ist die Mühe, mich über die von mir vorgestellten Studien der Thematik zu nähern sowie im Gespräch mit den Vietnamesen hier in Deutschland bzw. meinen Erfahrungen von früher. Ich hoffe im Gegenzug interessieren die Studien, die ich vorstelle auch - auch wenn das sicher nicht das optimale Mittel für eine Diskussion ist - und die Bearbeitung teilweise doch länger dauert, als mir lieb ist.

So, dann stelle ich mal die Folgestudie der Studie von Kimberley Kay Hoang vor, die ich vor einigen Wochen hier zusammengefasst habe:
Flirting with Capital: Negotiating Perceptions of Pan-Asian Ascendency and Western Decline in Global Sex Work

In dieser Studie kehrte sie 2008/09 nach Sai Gon zurück, um zu untersuchen, was sich in den letzten 2 Jahren getan hat und welche Auswirkungen die Finanzkrizkrise, aber auch die wirtschaftlichen Änderungen innerhalb Vietnams hatten. Die Arbeit basiert auf Interviews, die sie mit Kunden und Arbeiterinnen hatte. Besondere Glaubwürdigkeit erlangt der Artikel, da sie selbst mehr oder weniger inkognito als Bargirl in vier verschiedene Bars in die Szene eintauchte – mit allem was dazugehört - 12h täglich, pro Bar 2-3 Monate. Ihre Tätigkeiten dort beschreibt sie folgendermassen:
Zitat:
In the bars, my duties included serving drinks, sitting with clients, singing karaoke, and standing in the lineup as men chose the women to invite to their tables. While I could never pass as a local Vietnamese woman, I learned how to adjust my gait, serve, take orders, smile when people
criticized my weight, and remain silent when men touched me inappropriately

(„Meine Aufgaben in den Bars beinhalteten das Servieren von Getränken, das Sitzen bei Klienten, Karaokesingen und in der Reihe stehen, wenn die Männer eine der Frauen zu ihrem Tisch einladen. Während ich niemals als lokale Vietnamesin gelten würde, lernte ich mein Benehmen anzupassen, zu dienen, Befehle entgegennehmen, zu lächeln, wenn Leute mein Gewicht kritisierten und still zu bleiben, wenn mich Männer begrapschten“)

Die Kunden der Bars, in denen sie recherchierte und die in dieser Studie in den Mittelpunkt gerückt werden, klassifiziert sie als Backpacker, Expats bzw. westliche Geschäftsmänner, Viet Kieus sowie lokale Eliten. Die Namen der entsprechenden Bars änderte sie zu "Naughty Girls", "Secrets", "Lavender" bzw. "Khong Sao".

Naughty Girls:
Naughty Girls ist eine der Bars im Backpackerviertel mit Kunden, die zwischen 18 und 74 Jahren alt sind. Während es 2006 etwa 25 solcher Bars in dem Viertel gab, waren es 2009 nur noch 11 (die anderen bedienen nun ein anderes Klientel). Die Mädchen, die man dort antreffen kann sind die, die sie zuvor in die Mittelklasse einordnete. Man kann man es sich hier gut gehen lassen. Ohne viel zu investieren kann man erwarten mit den Mädels unverbindlich in Kontakt zu kommen, sich massieren lassen, etc.

Hoang zitiert einen 58-jährigen Kunden, der Vietnam als "Disneyland für Männer im Ruhestand" bezeichnet und den Vorteil von Vietnam darin sieht, dass man hier "nicht hart arbeiten oder weit gehen muss, um Sex zu haben". Sie beschreibt, dass er kein Einzelfall sei. Es kommt wohl öfter vor, dass Vietnam als ein Spielplatz für ältere Herren gesehen wird. Die Männer wollen hier unter anderem ihre Begierde nach exotischen Frauen ausleben - natürlich auch unter dem Gesichtspunkt der Westlichen Überlegenheit. Die Frauen wissen dies und stellen sich darauf ein. Entgegen des sonst in Vietnam übrlichen Schönheitswahns, bleichen sie sich nicht die Haut, sondern bräunen sich, um so noch exotischer zu wirken.

Das Selbstbild der Kunden wird oft in Bezug zu vietnamesischen Männern gesetzt. Klischeehaft wird vorausgesetzt, dass Vietnamesinnen natürlich auf Westliche Männer stehen. Der primitive Grund liegt auf der Hand: Das größere Glied, welches man sich gerne selbst unterstellt.

Ich schreib letztes mal, dass die Bargirls der Mittelklasse sich selbst als Bedürftig darstellen und den Kunden das Gefühl vermitteln wollen Versorger einer Familie zu sein. Ich will hier mal zwei Aussagen gegenüberstellen, die dies verdeutlichen. Zunächst ein älterer Kunde:
Zitat:
My wife and I were happily married for many years. When she died two years ago, my world fell apart. I didn't know how to cook, or clean, or take care of myself. I was depressed. I needed a wife ... to take care of me. In Asia ... some women still hold on to those traditional values ... I can afford to take care of a woman on my retirement fund [here]

("Meine Frau und ich waren viele Jahre glücklich verheiratet. Als sie vor zwei Jahren starb brach meine Welt zusammen. Ich wusste nicht, wie man kocht, putzt oder auch sich aufpasst. Ich war deprimiert. Ich brauchte eine Frau, die sich um mich kümmert. In Asien halten einige Frauen noch an diesen traditionellen Werten fest. Ich cann es mir hier von meiner Rente leisten, eine Frau zu versorgen.")
Und nun ein Bargirl:
Zitat:
A lot of men here think that Vietnam is still a poor country. They want to hear that your family is poor and that you have no options so you came here to work. If you make them feel sorry for you as a poor Vietnamese cillage girl, they will give you a lot more money. We lie to them because it works.

("Viele Männer hier denken, dass Vietnam immer noch ein armes Land ist. Sie wollen hören, dass deine Familie arm ist und dass du keine andere Alternative hattest, so dass du hierherkamst um zu arbeiten. Wenn du ihnen als ein armes Vietnamesisches Bauernmädchen Leid tust, dann geben sie dir viel mehr Geld. Wir lügen, weil es funktioniert.")
Wie gut das funktioniert, wird deutlich, wenn man die Geldbeträge sieht, die die Bargirls erhalten. Von den 20 interviewten Mädchen erhielten 13 hohe Beträge - zwischen 1000$ und 50.000$. Übrigens, das Bier in diesen Bars kostet etwa 2$.

Secrets:
Bars wie Secrets gab es 2006 selten, oder gar nicht. Sie sind auf westliche Expats ausgerichtet, die sich bewusst von als etwas Besseres abgrenzen wollen. Diese Abgrenzung greiffen auch die Arbeiterinnen auf und stellen sich speziell darauf ein. In Secrets wurde es den Mädchen immer wieder eingeimpft, dass die Kunden "respektable Geschäftsmänner" seien und keine "billigen Backpacker". Unterstützt wird dieses Bild durch höhere Preise in der Bar, aber auch durch Vietnamesischkenntnisse der Kunden. Hoang staunde nicht schlecht, dass ihre Muttersprache Englisch in solchen Bars wertlos ist. Dennoch ist das Selbstbild der Kunden minderwertig, was an folgender selbstreflektierenden Aussage eines Kunden deutlich wird:
Zitat:
The Guys who are working here in Vietnam are men who for the most part couldn't make it in New York, Hong Kong or Shanghai.

("Männer, die hier in Vietnam arbeiten sind hauptsächlich Männer, die es in New York, Hong Kong oder Shanghai zu nichts gebracht haben.")

Hoang zitiert mehrere solcher Aussagen und macht deutlich, dass die meisten der Kunden hier ihren Job während der Finanzkrise verloren haben und nur aus Not nach Vietnam kamen. Insofern sind die Bargirls soetwas wie Seelenklemptner - und tatsächlich: Sex gegen Geld ist eher selten, langfristige Beziehungen stehen im Vordergrund. Die Männer konkurrieren hier untereinander um die Gunst der Mädchen und diese wissen das - und vermitteln allen das Gefühl ein der Einzige, der Beste zu sein. Jeder weiss, dass die Mädchen genau diese Rolle spielen, doch das wird zumindest für den Moment unter den Tisch fallen gelassen. Warum sollte man sich dadurch auch die Laune verderben.

Lavender:
Im Lavender wird man von Türstehern empfangen und zum Tisch geführt. Das heisst... sofern man als nicht-Asiate überhaupt eingelassen wird. Es kommt an guten Abenden vor, dass westliche Kunden aussen vor bleiben müsse. Mit ihnen sei kein Geld zu verdienen, so der Besitzer des Lavender und auch die Mädchen wissen das. Westler wissen nicht, wie man richtig Trinkgeld gibt.

Für Viet Kieus warten in der Bar dann bildhübsche Frauen die, nach Aussage eines Kunden, nicht so Fett und sind wie die vietnamesischen Frauen zu Hause. Diese Frauen kann man sich dann an den Tisch einladen. Anstelle von Bier wird hier lieber in harten Alkohol investiert, der für gewöhnlich Flaschenweise bestellt wird. Preislich bewegen wir uns hier im Bereich von 150$-200$ pro Flasche. Um als wohlhabend zu gelten, bestellen viele Kunden nicht nur eine Flasche, sondern mehrere. Zusätzlichen Anreiz dazu bieten verschiedene Rabattaktionen: Im Lavender etwa das typische "buy 2 get one free". Was für Flaschen gilt, ist auch bei den Bargirls zutreffend: Anstatt sich mit einem zufrieden zu geben, werden mehrere an den Tisch eingeladen, die sich den Männern unterordnen. Kurzum: Man schmückt sich mit Schnaps und Frauen und weiss das zu geniessen.

Dieses Protzen ist aber nicht grenzenlos. Bei den Viet Kieus hat die Finanzkrise Spuren hinterlassen. In den Interviews mit den Kunden ist zu erfahren, dass sich Viet Kieus mittlerweile den Lokalen Eliten unterordnen. Dies wird beispielsweise durch folgendes Zitat eines Viet Kieu belegt:
Zitat:
the Viet Kieu years are over in Vietnam... local [men] have all the money now.

("Die Jahre der Viet Kieus sind vorbei ... Das Geld haben nun die ansässigen Vietnamesen.")

Khong Sao:
Kundschaft im Khong Sao sind lokale Eliten und asiatische Geschäftsmänner. Auch hier wird flaschenweise bestellt, wobei eine Flasche Whiskey - meist Jonnie Walker Blue Label - 250$ kostet. Der typische Kunde kommt hier 3-4 Mal pro Woche, bestellt bis zu 8 Flaschen und zahlt bar... Dazu kommt das Trinkgeld, mit dem die Kunden auch sehr spendabel sind. Ab und zu kommt es vor, jeder der 35 Angestellten ein 500.000VND Schein in die Hand gedrückt wird. Den Verweis darauf, dass westliche Männer - aber auch Viet Kieus - nicht so spendabel seien, spart man sich auch im Khong Sao nicht.

Die Bargirls werden sehr gut ausgebildet, wie sie sich zu benehmen haben. Dazu gehört viel Menschenkenntnis, um beispielsweise die Rangordnung innerhalb einer Gesellschaft zu analysieren und dann in der entsprechenden Reihenfolge an der entsprechenden Stelle des Glases anzustossen (Je angesehener, desto weiter unten am Rand), die entsprechende Sitzordnung einzuhalten, etc. Insgesamt geht es hier noch mehr um die Gesellschaftliche Stellung als in den anderen Bars - die Frauen sind Mittel zum Zweck um diese Stellung gegenüber anderen zu verdeutlichen.

Während einige hier mit Reichtum protzen, müssen deren Begleiter teils sparsamer sein und sich auf andere Weise profilieren. Hoang beschreibt, dass es von solchen Männern oft zu Übergriffen kommt. Ein Betroffener beschreibt das:
Zitat:
If you don't have money and you can't drink everyone will call you weak (yeu ot) or gay (be de). When bosses push me down I grab onto women to get back up. That's their job.

("Wenn du kein Geld hast und nicht viel trinken kannst, dann wirst du von jedem schwach oder schwul genannt. Wenn mich die Chefs heruntermachen, begrapsche ich Frauen um wieder hochzukommen. Das ist deren Job.")
Bei den Frauen spricht sich schnell herum, wer kein Geld hat und es gibt Strategien, solche Kunden loszuwerden, beispielsweise durch regelrechtes Abfüllen solcher Kunden. (Das kenne ich übrigens auch aus der Bar, in der meine Frau bis 2008 gearbeitet hat. Wer Stress gemacht hat, bekam extra starke Drinks, sodass er irgendwann "umfällt".)

Soviel dazu, ich bin auf Ergänzungen gespannt und wünsche euch allen eine gute Tet-Zeit.

_________________
Um einen Schmetterling lieben zu können, müssen wir auch ein paar Raupen mögen (Antoine de Saint-Exupéry)

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