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 Que Huong o mo?

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Wolzoff




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Anmeldungsdatum: 27.12.2010
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BeitragVerfasst am: 30.03.2014, 23:39    Que Huong o mo? Antworten mit ZitatNach oben

Anstossnehmend an diesem Thread, bin ich über dieses Lied gestolpert das eine, mich kontinuirlich beschäftigende, Frage thematisiert. Wo gehöre ich hin? Wo bin ich zu Hause? Wo ist mein persönliches Daheim?

Wie ich dazu kam ...

Ich bin in meinem Leben schon zig mal umgezogen. Habe Wohnorte, Provinzen und Dialekte gewechselt, wie andere die Unterwäsche. Manchmal fühle ich mich rastlos, beinahe heimatlos und nirgends angekommen. Stetig in Bewegung. Momentan ist es mal wieder soweit. Ich verlasse Deutschland und werde Ausländer. In der sich zunehmend abgrenzenden Schweiz. Hineinschauend in das Land meiner Frau fällt mir schon länger immer wieder auf:" Auch viele in Vietnam sind ständig in Bewegung. Sie ziehen der Arbeit, dem Ehemann oder dem Ort, an dem sie sich zu Hause sehnen, hinterher. Manchmal flüchten sie auch. Vor Schulden, Krisen und Rivalen.

Oft wurde ich von meiner Frau gefragt (besonders wenn es um das ausfüllen von Papieren ging):" Wo ist deine Heimat? Dein Heimatland? Der Ort, an dem du geboren wurdest?"
Mir fiel eine Antwort darauf sehr schwer. Ich wurde nicht in meiner Heimat geboren. Und ich fühle mich in dem Land daheim, das nicht mein Vaterland ist. Meine eigene Familie ist mittlerweile so zestreut, wie eine vietnamesische.

Mein Sohn wohnt in Amerika. Ich unterstütze ihn finanziell. Mein Vater sehnt sich nach einem Altersruhesitz in Schweden. Ich habe gar keinen Kontakt mehr zu ihm. Mein Bruder wird bald das Haus meiner Mutter und damit eventuell auch ihre Pflege übernehmen. Einzig Sie ist dort geblieben, wo ich aufwuchs. Und noch immer ist sie das Zentrum, der Anlaufpunkt unserer versplitterten Familiengemeinschaft. Aber auch das ist nicht mein Zuhause, mein Daheim, der Ort, wo ich hingehöre.

Wo ist mein quê hướng?

In Vietnam, innerhalb der Familie meiner Frau, fühlte ich mich angekommen, auf meiner ewigen Reise, die nun ihre Fortsetzung gefunden hat. Angekommen für einen Moment? Oder für immer? Sehne oder fürchte ich mich vor/nach Vietnam? Kann es jemals eine Heimat für mich Heimatlosen sein? Oder ist und bleibt es doch Europa? Deutschland? Wird mein neues Gastland, die Colonia Helvetica, mich aufnehmen? Mich "zu Hause" fühlen lassen? Oder grenzt sie mich aus, den Deutschen, das Enfant terrible. Den Sklaven des Schweizer Wohlstands.

Am stärksten verbunden, geborgen und gefangen fühlte ich mich bisher in Vietnam. Es nahm mich an, als ich es ablehnte. Es stiess mich weg, als ich mehr von ihm wollte und es empfing mich freundlich, als ich angekommen war.
Aber immer noch weiss ich nicht, wo mein Zuhause, meine Heimat, mein Daheim ist ....

Oder flüchte ich vor diesem, insgeheim ersehnten Daheim? Lauf ich weg vor dem, was meine Heimat ist? Und warte doch, das sie zu mir kommt?

Wie geht es euch? Euch, die ihr in eurer Heimat geblieben seid. Euch, die ihr sie verlassen habt und euch, ihr die dazwischen hängt. Und euch die ihr auf der Suche seid ...

tippelnd ... Wolzoff

P.S. Die meisten Fragen sind rhetorisch ... Winken

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„Nichts ist den Mittelmäßigen so verhaßt wie geistige Überlegenheit. Da fließt in der Welt unserer Zeit die Quelle des Hasses.“ Stendhal

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Natalie_Tran
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BeitragVerfasst am: 31.03.2014, 03:35    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Wo du dich wohl fühlst und Herzlichkeit von den anderen bekommst, ist dein Zuhause.
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pacisso




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BeitragVerfasst am: 31.03.2014, 04:21    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Heimat ist eher ein Gefuehl, kein Ort.
So wie sich Gefuehle, Beziehungen, Lebensumstände verändern, so verändert sich Heimat.

Oft denke ich auch, das Heimat ist was ich vermisse.
So viele Reisen, Wohnorte, Orte an denen ich was schuf, wo ich lebte, leben, lieben, Freude fuehlte und fuehle.
Wo ich was suchte!

Ich war schon oft Daheim und fand jedes Verlassen dessen als Verlust.
Seit kurzer Zeit ist Heimat hier wo ich bin,
nicht zuhause wo ich war.

Ich bin voll Heimat, es definiert sich bestaendig neu in mir. Ich suche nicht, ich gehe hin und lebe Heimat.

Heimat ist schoen und am schoensten ist es sie immerfort neu zu endecken.
Man muss Heimat die Chance geben sich zu entwickeln,
Heimat ist Zukunft
Heimat ist jetzt

Heimweh ist Verlust,
nicht das Sehnen nach dem alten Ort dessen Duft, seiner Farben...
Sondern die Wahrnehmung des Gefuehls, das gerade im Moment etwas nicht in Ordnung ist...

Darum definiert sich Heimat selbst neu, immerzu.

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Catinat
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BeitragVerfasst am: 31.03.2014, 05:09    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Eine schoene Fragestellung. Mit schoenen Beitraegen auch.

Wir hatten uns schon mit einigen Mitgliedern darueber unterhalten. Und dabei entstand auf Anregung Csba’s „Der Mauersegler“ :

http://www.forum-vietnam.de/go/viewtopic.php?p=70635&highlight=heimat#70635 .

Die Geschichte meiner Familie ist eine alte, sich wiederholende Geschichte des Vertriebenwerdens. Auf der Suche danach, diesen Begriff „Heimat“ zu fuellen.

Ich habe eine Formel fuer mich gefunden und inzwischen an meinen Sohn , den ich 15 Jahre lang innerlich und aeusserlich verloren hatte, nun in Deutschland ueber den Umweg ueber Sài Gòn mit „fremder“ Hilfe und durch einen seltsamen (Nicht-) Zu-Fall wiedergefunden habe, mit seinem Einverstaendnis weitergegeben :

„Heimat ist, wo ich eine Geschichte habe.“

Mein Sohn akzeptierte das , wenn auch „Vietnam“ fuer ihn mit das haessliche Symbol fuer Verstrieben-, Verstossen-Worden-Sein durch den Vater darstellt. Und liess mich im Gegenzug des vorsichtigen Wiederfindens und -annaeherns seine auch schoene Version nach Frank Goosen wissen :

Frank Goosen: »Woanders weiß er selber, wer er ist, hier wissen es die anderen. Das ist Heimat. «

Gruesse, Catinat

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Wolzoff




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BeitragVerfasst am: 31.03.2014, 09:55    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Vielen Dank für eure Antworten.

Ich selbst bin auf der Suche nach dem Gefühl "daheim zu sein. In Vietnam werde ich immer gefragt, wann kommst du zurück. Nicht wann kommst du wieder. So gibt man mir ein Stück das Gefühl, dort zu Hause zu sein. Ich selbst bin mit anderen Gegenden nie warm geworden. Wahlheimat(en) sind für mich nie welche geworden. Deswegen ziehe ich immer weiter.

Meine Frau sieht das etwas anders. Ihre Heimat ist das Mekongdelta. Hier ist sie aufgewachsen. Heimat ist da, wo du Kind warst, singt Cẩm Ly. Auf dem Papier und für die Akten ist es ein kleines Fischerdorf nahe Hue.
Als wir es einst besuchten, zeigt sie mir die Hügel, nahe dem Dorf im Delta, auf denen sie spielte. Ein ehemaliger Steinbruch wurde in ein Naherholungsgebiet verwandelt. Es hat sich viel verändert, meinte sie damals. Auch das ist Heimat. Der Ort den man so gut kennt, das man jede kleine Veränderung bemerkt.

Heute sagt sie, wenn ich sie frage, wie es ihr in der Schweiz ergehen wird, sobald sie zu mir gezogen ist:"Schwer wird es werden. Ihre Heimat wird sie vermissen". Aber irgendwann wird sie sich daran gewöhnen. Dann hat sie eine neue Heimat und die alte wird ihr fremd werden.

Vielleicht ist mein "Daheim" ja an ihrer Seite.

Dahoam Wolzoff

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starlifter
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BeitragVerfasst am: 31.03.2014, 10:56    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Der deutsche Lyriker Emanuel Geibel bringt es auf den Punkt:

"Nur zu Hause ist der Mensch ganz. In der Heimat wurzeln, oh welch Zauber liegt in diesem Wort. Daheim."

Ich bin sehr froh, in der Region meiner Eltern und Vorfahren geboren zu sein. Hier sind meine Wurzeln, meine Vorfahren, meine Verwandtschaft, alle Freunde und Bekannte. Das soziale Umfeld, der Arbeitsplatz, alles in greifbarer Nähe. Dies gilt es zu bewahren.
Im Ausland bekomme ich nach relativ kurzer Zeit das Gefühl wieder in die Heimat zu wollen.

Starlifter Cool

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"Alles Denken geschieht unter der Kategorie der Zeit, das wahre Erkennen dagegen schaut in einem ewigen Nu."

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Catinat
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BeitragVerfasst am: 31.03.2014, 11:45    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Mal wieder ein nachdenklich stimmender Thread.

Wolzoff beeindruckt mich durch seine Anstoesse, in denen ich Teile von mir wiederentdecke. Und er bietet uns die Fassung Quê Hương mit Cẩm Ly an. Zuhause.

Natalie_Trans „Zuhause“ kommt so ganz aus ihrem Herzen.

Pacisso verbindet seine Meimat-Gedanken mit dem Gefuehl des Heimwehs.

Und in den Begriffen „Heimat“ und „Zuhause“ steckt wirklich ein Zauber , wie Starlifter zitiert.

Auch hier gab es Nachdenkliches dazu , sogar manch Bitteres dazu, was auch dazu gehoert :
http://www.forum-vietnam.de/go/viewtopic.php?p=71156&highlight=heimat#71156

Mir macht folgendes Unternehmen Riesenspass:
Zuerst Cẩm Ly vom Beitrag Wolzoffs geniessen.
Dann sofort danach die Liebeserklaerung an meine sproede, oft verlachte Ruhrgebietsheimat von Frank Goosen hoeren, fuer mich auch : geniessen.

http://www.youtube.com/watch?v=s0Mzqd-9J8E

Oder umgekehrt.

Gruesse, Catinat

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csba
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BeitragVerfasst am: 04.04.2014, 14:37    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Meiner Meinung nach ist dies immer ein spannendes Thema, wissen zu duerfen, wie die einzelnen Menschen ihr "individuelles Heimatgefuehl" beschreiben, da wir alle doch unterschiedlichen Ursprungs und Geschichte sind!

csba

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Wolzoff




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BeitragVerfasst am: 04.04.2014, 21:33    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Ein paar grossartige Videos, die meine gefühlte Heimat herrlich wiederspiegeln und mich schmerzlich vermissen lassen ...

The Dumpling Vendor

Hue



Fernweh, Heimweh Wolzoff

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Micha L






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BeitragVerfasst am: 05.04.2014, 09:24    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Trotz meiner Heimatverbundenheit hätte ich mich in Vietnam durchaus auch heimisch fühlen können - wenn das Klima und noch mehr die Luftverschmutzung in den Großstädten nicht wär.
Das selbst Gefühlte wurde ja erst kürzlich statistisch belegt (Millionen Tote durch Luftverschmutzung in SO-Asien, einschl. chinesischer Ostküste).

Auch in D. wohnende Vietnamesen hadern damit und Besucher aus Vietnam atmen hier erleichtert durch.

Gruß

Micha

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Wolzoff




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BeitragVerfasst am: 06.04.2014, 23:18    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Vi scheint ein wenig naiv. Scheinbar unvorbereitet "stürzt" sie sich in das Abenteuer, auf der Suche nach ihren Wurzeln.
Ihr Vater floh einst von Vung Tau aus nach Deustchland. Er arbeitete hart, um ihr ein Studium und somit ein "besseres" Leben zu ermöglichen. Doch Vi zieht es heim. Nach Hause. Nach Vietnam. Ob ihr Vater damit wohl einverstanden ist?

Die Dokumentation über Vi's "Heimkehr nach Vietnam" spricht viele Themen, die das Land bewegen, an. Nicht nur die Suche nach der Heimat. Ob Vi in Vietnam eine Heimat findet, bleibt ungeklärt, dafür klärt sich die Frage, wie bringe ich Vietnamneulingen den vietnamesischen Strassenverkehr bei ... Mit Herz und Verstand, nicht mit Selbstsucht und Arroganz ... Aber das nur am Rande Winken

Sehenswert Wolzoff

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HarryHD
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BeitragVerfasst am: 29.04.2014, 06:20    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Ich neige dazu den gesamten Planeten Erde als meine Heimat zu betrachten. Unsere Welt ist so klein und übersichtlich geworden, dass mir die Beschränkung auf ein einzelnes Land zu begrenzend wäre.

A pro pos Grenzen: Nationen und Grenzen sind willkürlich von Menschen gemacht worden. Ich halte sie im Zeitalter der Globalisierung für antiquiert. Es ist doch lächerlich, dass wir in Echtzeit mit jedem Ort auf dieser Welt kommunizieren können aber um dort hin zu kommen müssen umständlich Visa beantragt werden - wobei diese Anträge auch abgelehnt werden können.

Die Menschen sind überall gleich. Kulturelle Unterschiede sind nur Details oder existieren nur in unseren Köpfen. Aber in dem Streben nach Glück gibt es keinen Unterschied.

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Courti
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BeitragVerfasst am: 17.05.2014, 23:26    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Heimat, ja was ist Heimat? Im Haus meiner Großeltern hängt ein Bild, so ein Landschaftsbild, geschnitzt. Da drunter steht: "Vergiß nie die Heimat, wo deine Wiege stand, du findest in der Ferne kein zweites Heimatland." Die Heimat ist also da, wo meine Wiege stand. Das halte ich aber für zu einfach. Mir ist auch nicht wohl dabei, keinerlei Einfluss auf den doch individuellen Begriff Heimat zu haben, den auch ich beeinflussen können will.

Mit der Zeit kommen Veränderungen. Migration, Emigration, ein einfacher Umzug in eine andere Stadt. Auch meine Großmutter ist aus ihrem Dort 40 km weit zu meinem Großvater "emigriert", wo sie nun seit was weiss ich wieviel Jahren lebt. Was mich aber vor allem stört und was bei dem Spruch auf dem Bild überhaupt nicht bedacht wird: Menschen vergessen! Aber an seine Heimat muss man sich abgesehen von Demenzerkrankten doch erinnern?

Im April besuchte ich mit Familie Vung Tau, genauer, Long Hai. Wenngleich sie dort nicht geboren wurde wuchs meine Frau dort auf. Ihre Eltern, ihr Onkel erkannten aus dem Auto eine Strasse, die sie damals oft entlanggingen. Wir stiegen alle aus, liefen los... Das alte Haus suchen, fragend, da sich bald keiner mehr so recht auskannte in den kleinen Gassen, die sich in den letzten 20 Jahren wohl doch sehr verändert hatten.

Irgendwann trafen wir die alten Nachbarn, genauer: den Sohn der Nachbarn. Er musste sich mit seiner Schwester vor knapp 30 Jahren um meine Frau kümmern, babysitten, sie bekochen. Seine Eltern trugen es ihm auf, die Eltern meiner Frau hatten dazu keine Zeit. Zu hart war die Arbeit damals. Man musste in der Nachbarschaft zusammenhalten.

Nun standen wir also auf seiner Terasse... Meine Frau musterte mit ihren Geschwistern die Gegend. Sie flüsterte mir zu: "ich erinner mich an nichts hier. Ich weiss nicht, in welchen der Nachbarhäuser wir damals wohnten." In diesem Moment deutete der Ex-Nachbar auf ein kleines Haus nebenan - Da war es also. Dort wuchs meine Frau auf.

Es war nur ein kurzer Besuch in Long Hai und wir liefen bald wieder zurück zum Auto. Auch beim Zurücklaufen erinnerte sich meine Frau an nichts. Ungläubig revidierte sie ihre Erinnerung, als ihre Eltern ihr erzählten, dass sie in Long Hai sogar noch zur Grundschule ging. Diese Erinnerung war total weg. Ihre Heimat kann das nicht sein. Ihre Erinnerung beginnt damit, dass sie in Mui Ne bei ihren Großeltern aufwuchs.

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Um einen Schmetterling lieben zu können, müssen wir auch ein paar Raupen mögen (Antoine de Saint-Exupéry)

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Wolzoff




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BeitragVerfasst am: 23.12.2014, 14:07    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Erst neulich hatte ich wieder eine längere Konversation mit meiner Frau über Nähe zur Heimat und den unterschiedlichen Ansichtsweisen von Vietnamesen und "Westlern" zum Begriff "Heimat".
Sie argumentierte, das wir "Westler" uns nur schwer räumlich von unserer Heimat (und damit verbunden Familie und Freunde) trennen können. Heimatverbundenheit empfinden wir am stärksten, wenn wir in ihrer Nähe bleiben. Oft prägt "Heimatverbundene" die Angst, ihre Heimat in der Fremde oder wenn in der Heimat verblieben, durch "Überfremdung" zu verlieren. Wir hängen räumlich sehr an Personen und Orten, mit denen wir Heimat verbinden.

Anders sieht sie dies bei Vietnamesen. Ihrer Ansicht nach wird Heimat mehr im Herzen getragen und ist somit auch in die Fremde transferierbar. Die Angst, so etwas wie Heimatgefühl zu verlieren ist bei ihnen weniger ausgeprägt. Sie meinte, uns Vietnamesen hat es auf die ganze Welt verschlagen, ohne das die Vietnamesen ihre Verbundenheit zur Heimat verloren hätten. Auch in Vietnam ist die Angst, die Heimat durch "Überfremdung" zu verlieren, eher schwächer ausgeprägt. Sie unterstreicht dies mit dem Satz:"Freunde und Verwandte können dich nicht dauerhaft ernähren. Und wenn es in der Heimat an Arbeit mangelt, muss man dahin ziehen, wo es Arbeit gibt. Freunde findet man neue und Verwandte und Familie trägt man steht's im Herzen bei sich. Ihr seid da anders. Ihr bleibt, auch wenn es wenig Arbeit gibt, bei euren Freunden und Familien. Wir Vietnamesen sind da flexibler".

So scheint den Vietnamesen, verglichen mit uns, ein Aufenthalt und ein längeres Fernbleiben der Heimat, ohne jährlich Besuche, einfacher zu fallen.

Weiterführend gehen u.A. folgende Quellen näher auf die Lebensumstände entfernt der Heimat lebender Vietnamesen ein.

Zum einen beleuchtet Thich Thanh Ho in seinem Buch "Trauerrituale im vietnamesischen Buddhismus in Deutschland - Kontinuität und Wandel" Religionen Aktuell (Band 9 / ISBN: 978-3-8288-2887-2) den Umgang und die Anpassung vietnamesischer Trauerrituale in "der Fremde" und den damit verbunden Schwierigkeiten der Ausübung aufgrund bestehender Gesetze des Gastlandes. Zum anderen stellt er in seiner Arbeit als praktizierender buddhistischer Mönch fest, das von Überführungen sterblicher Überreste vietnamesischer Buddhisten ins Heimatland kaum Gebrauch gemacht wird. Verstorbene äussern oft den Wunsch in der fremden Heimat beerdigt zu werden.

Und noch eine Studie der Universität Luzern, mit dem Thema:

"Zugewanderte Religion, öffentlicher Raum und Wandel von Geschlechterrollen tamilischer Hindus und vietnamesischer Buddhisten in der Schweiz"

bei dem auch das "Leben" und der Umgang, sowie die Übertragung religiöser Bräuche aus der "alten" Heimat näher beleuchtet werden. Auch aus dieser Studie lässt sich herauslesen, das, auch generationsübergreifend, der Begriff "Heimat" nicht zwangsläufig an Orte oder Personen gebunden ist sondern in das Gastland transportiert werden kann, mittels religiöser Rituale und Bräuche.

Das Zuhause im Herzen ... Wolzoff

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BeitragVerfasst am: 23.12.2014, 18:50    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

« Wolzoff » hat folgendes geschrieben:


Zum einen beleuchtet Thich Thanh Ho in seinem Buch "Trauerrituale im vietnamesischen Buddhismus in Deutschland - Kontinuität und Wandel" Religionen Aktuell (Band 9 / ISBN: 978-3-8288-2887-2) den Umgang und die Anpassung vietnamesischer Trauerrituale in "der Fremde" und den damit verbunden Schwierigkeiten der Ausübung aufgrund bestehender Gesetze des Gastlandes. Zum anderen stellt er in seiner Arbeit als praktizierender buddhistischer Mönch fest, das von Überführungen sterblicher Überreste vietnamesischer Buddhisten ins Heimatland kaum Gebrauch gemacht wird. Verstorbene äussern oft den Wunsch in der fremden Heimat beerdigt zu werden.

Das Zuhause im Herzen ... Wolzoff


Eine Beerdigung in Deutschland ist günstiger als in Viet Nam . In Deutschland ein Grab in Friedhof ist nur zu mieten für 20 oder 30 Jahren , in Viet Nam muss man für immer kaufen .
Es gibt in Viet Nam teuer Friedhof für Reicher oder berümhte Leute .
VG

Pierre

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