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 Thai Binh

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Cathrin
Gast










BeitragVerfasst am: 17.01.2004, 17:12    Thai Binh Antworten mit ZitatNach oben

Hallo an alle,

ich möchte an dieser Stelle einmal etwas über die Provinz Thai Binh im Delta des Roten Flusses schreiben. Während meiner Schulzeit in Vietnam habe ich jedes Jahr so vier oder fünf Wochen der schönen langen Sommerferien mit meiner besten vietnamesischen Freundin bei deren Verwandten in einem kleinen Dorf in dieser Provinz verbracht.
Thai Binh ist eines der wichtigsten Reisanbaugebiete Nordvietnams.
Die Hauptstadt der Provint, Thai Binh-Stadt, liegt ungefähr 110km südöstlich von Hanoi und hat zirka 60000 Einwohner( die Provinz insgesamt knapp zwei Millionen).
Man fährt auf der Nationalstrasse Nr.1 nach Süden bis Nam Dinh, biegt dort links ab, dann geht es mit der Fähre über den Fluss und nach ein paar Kilometern immer geradeaus ist man auch schon dort.
In der Stadt selber gibt es nicht so viel Sehenswertes, sie ist eine typische vietnamesische Provinzstadt. Es kommen dort auch ganz selten ausländische Touristen hin.
Ein paar Kilometer entfernt befindet sich aber eine der schönsten Pagoden Vietnams, die chua Keo. Die Fahrt geht über eine ziemlich schlechte Strasse und die Pagode ist auch gar nicht so einfach zu finden.
Sie wurde im 11. Jahrhundert gegründet. Die meisten der heutigen Gebäude auf dem Gelände stammen aber aus dem 16. oder 17. Jahrhundert. Ihre Architektur wurde vom Stil der traditionellen Häuser abgeleitet. Besonders der Glockenturm ist sehr bemerkenswert. Ganz aus Holz gebaut ist er ca. 12m hoch und besteht aus drei Etagen. In jeder Etage befindet sich eine Glocke.
Die Pagode wurde im Vietnamkrieg durch Bomben schwer zerstört, ist aber wieder originalgetreu aufgebaut. Als einer der Mönche merkte, das ich vietnamesisch verstehe, hat er eine richtige kleine Führung für mich gemacht.
Wir sind dann auch einmal zum jährlichen Pagodenfest der chua Keo gefahren. Das findet in der Mitte des 9. Mondmonats statt und dauert eine Woche. Neben den Bootsrennen haben mir dort die traditionellen Aufführungen des Wasserpuppentheaters am besten gefallen.

Verlässt man Thai Binh in Richtung Osten, kommt man nach 10km ans Meer zu dem kleinen Fischerdorf Dong Chau. Dort gibt es einen schönen Strand, viele Obstgärten und kleine preiswerte Hotels. Viele Leute aus Hanoi fahren dorthin übers Wochenende zur Erholung. Ausländische Touristen sieht man aber dort kaum.

Zu dem Dorf, wo die Verwandten meiner Freundin wohnen, sind es von der Provinzhauptstadt aus ungefähr 12km. Man fährt an endlosen Reisfeldern vorbei, das letzte Stück direkt an einem Arm des Roten Flusses auf den Deichen.
Ich glaube, ich war die erste Ausländerin, die jemals dort in diesem Dorf war. Als wir ankamen, gab es sofort einen gewaltigen Menschenauflauf. Da war bestimmt das halbe Dorf versammelt. Aber nach zwei oder drei Tagen hat sich dann alles wieder normalisiert. Doch es wiederholt sich jedes Jahr neu. Sogar der Bürgermeister war gekommen, um mich zu begrüssen. Dabei war ich damals doch nur ein einfaches kleines 12jähriges Mädchen.
Die Häuser in diesem Dorf liegen ziemlich weit voneinander entfernt zwischen den Feldern.
Nur im Zentrum des Dorfes, das man nach 10minütiger Fahrt mit dem Rad erreichte, stehen sie dichter zusammen. Dort gibt es jeden Vormittag einen kleinen Markt, mehrere Geschäfte, Kneipe, Friseur, Fotograf, viele kleine Handwerksbetriebe und sogar eine kleine Tankstelle.
Die ersten Tage nach der Ankunft waren mit „Antrittsbesuchen“ bei allen Verwandten meiner Freundin komplett ausgebucht. Wir wurden überall sehr freundlich empfangen, zum Tee trinken und zum Essen eingeladen und ich wurde viel über das Leben in Deutschland ausgefragt.
Das Haus, in dem der Opa und die Tante meiner Freundin wohnen, ist zwar stabil gebaut, aber sehr einfach. Es besteht im Prinzip nur aus einem einzigen Raum, so das man dort so gut wie kein Privatleben hat. Aber das hat mich nicht weiter gestört. Zum Schlafen hatten wir zwei Mädchen aber unsere extra Kammer. Küche und Toilette waren in kleineren Gebäuden auf dem Hof, wobei die Toilette nur aus einem Loch im Fussboden bestand, aber das kannte ich ja damals schon. Wasser musste man sich selber aus dem Brunnen schöpfen.
Eine ganz neue Erfahrung war für mich, das man bei 40Grad im Schatten auch ganz gut ohne Kühlschrank leben kann. Fleisch wurde täglich auf dem Markt frisch gekauft und Gemüse und Obst kam aus dem Garten. Getränke habe ich zum Kühlen immer in den Brunnen gehängt.
Ich hab es mir auch nicht nehmenlassen, viel im Garten oder auch mal auf dem Reisfeld zu helfen, das sieht immer so leicht aus, ist aber eine sehr schwere Arbeit in der Hitze. Deshalb fängt man mit der Arbeit sehr früh am Morgen an und macht über Mittag eine längere Pause.
Übrigens begann jeder Tag damit, das pünktlich früh um 5, sonntags um6, über Lautsprecher das örtliche Radioprogramm abgestrahlt wurde. Aber auch daran kann man sich gewöhnen und als ich voriges Jahr dort war, waren die Lautsprecher abgebaut.
Die Kinder dort haben auch in den Ferien nur wenig Freizeit, weil sie auf dem Feld oder im Haus helfen müssen. Es gibt auch nicht viel Gelegenheit für Freizeitaktivitäten, die Jungs haben nachmittags und abends immer bis zum Dunkelwerden Fussball gespielt und die Mädchen müssen eh im Haushalt helfen. Abends haben sich immer alle Nachbarn, die keinen eigenen Fernseher hatten bei uns zum fernsehen eingefunden, auch die kleinen Kinder durften immer bis zum Sendeschluss aufbleiben.
An machen Tagen sind wir aber mit dem Fahrrad die 15km bis zum Meer gefahren und haben den ganzen Tag dort verbracht. Dabei habe ich festgestellt, das viele vietnamesische Kinder Angst haben, im Meer zu baden, obwohl sie sehr gut schwimmen können. Einigen war es auch trotz Sommer zu kalt.

Nun ist mein Bericht doch ziemlich lang geworden. Hoffentlich nicht zu anstrengend zu lesen. Für mich ist es immer wieder schön, jedes Jahr ein paar Tage von meinen Sommerferien dort auf dem Lande zu verbringen und ich freue mich jedes Jahr aufs Neue, die netten und freundlichen Menschen wiederzutreffen. Das Leben dort ist nach wie vor sehr einfach, aber eben auch das ursprüngliche Vietnam, wie man es in den Touristenzentren nicht mehr antrifft.

Viele Grüsse an alle, denen es nicht zu langweilig geworden ist bis zum Ende zu lesen.

Cathrin

PS. Da ich nicht weiss, wie ich hier eigene Fotos hochladen kann, hier noch ein Link zu einer sehr schönen Seite über die Keo-Pagode.

http://perso.club-internet.fr/gilkergu/chua/keo/Keo.htm

Online    
Heidi






Anmeldungsdatum: 25.04.2003
Beiträge: 33
Wohnort: München



BeitragVerfasst am: 17.01.2004, 21:01    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Lang ist der Text schon, aber ganz bestimmt nicht nicht langweilig! Das war köstliche Lektüre!
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Curgan






Anmeldungsdatum: 06.10.2003
Beiträge: 61
Wohnort: Neustadt am Rübenberge



BeitragVerfasst am: 28.04.2004, 17:25    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Der Text ist definitiv nicht zu lang, sondern hat bei mir Appetit auf mehr gemacht!

Gruß
Curgan

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