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 Auswirkungen des Vietnamkrieges auf die US-Gesellschaft

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Micha L






Anmeldungsdatum: 19.11.2003
Beiträge: 2668
Wohnort: Leipzig


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BeitragVerfasst am: 26.01.2010, 19:18    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

« AndyNguyen » hat folgendes geschrieben:
Ich vermag zumindest nicht zu entscheiden, welche Auswirkunen dieser Krieg auf die jüngeren Amerikaner hat. Vermutlich eher wenig bis keine. Ich habe Probleme den 2. Weltkrieg nachzuvolziehen (Jahrgang 1957). Warum soll es den amerikanischen Genrationen ab 1986 anders gehen?


Da möchte ich ergänzen, daß der 2. WK für die Deutschen bis in die neueste Zeit der letzte war.
Hingegen hatten die Amerikaner nach Vietnam noch 2 Golfkriege und Afghanistan. Besonders die persönlichen Auswirkungen der Golfkriege auf die US-Soldaten und solche Sachen wie die Folterungen und Guantanamo waren dazu geeignet, Vietnam aus dem Fokus zu nehmen.
Dazu trägt sicherlich auch bei, daß die Beziehungen zu Vietnam mittlerweile entspannt sind.

Gruß

Micha

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Catinat
Gast










BeitragVerfasst am: 26.01.2010, 19:39    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

In allen vier letzten Beiträgen steckt Wahrheit. Der Vietnamkrieg ist für Amerikaner zu weit weg. Unsere Tochter dort, selbst vietnamesischer Herkunft, hat mit einem Fingernagelstudio und neun Angestellten in Florida die größten wirtschaftlichen Sorgen. China könnte zur Bedrohung der amerikanischen Zukunft werden mit seinen immensen Dollarreserven. Der Anteil von gebildeten Eltern nimmt zu, sich ein chinesisches Kindermädchen zu besorgen, damit die lieben Kleinen frühzeitig chinesisch lernen. Cetans Kenntnis von Restriktionen gegenüber Hilfsbereiten, die den „falschen“ Gruppierungen helfen, glaube ich. Und die Ressentiments von Gui Lin teile ich sogar. Aber : ich schlucke sie herunter. Vielleicht ein Stück Feigheit – unserer Tochter soll es nicht noch schlechter gehen.
Und dennoch, geschriebenes Gesetz und die Gesetzesrealität und ein teures Anwaltsbüro verhindern, dass ich, wenn ich Bürger der Vereinigten Staaten bin, wegen meiner laut geäußerten Kritik an der Regierung ins Gefängnis muss wie in zahlreichen anderen Ländern. Die Regierung einer Grossmacht hat immer Angst, ihre herausragende Stellung in der Welt abgeben zu müssen und wird sie auch in Angriffen oder Stellvertreterangriffen zu verteidigen versuchen. Das alte Ägypten, Persien, Rom, das mongolische Reich, die europäischen Mächte, Russland. Die gegenwärtige Situation in Afghanistan, von der Cathrin oben schreibt, ist ein Ausläufer der sowjetrussischen Invasion 1979. Das ist alles keine Entschuldigung für die Verbrechen der amerikanischen Regierungen.
Ich mache aber einen Unterschied zwischen den Regierungen und der Gesellschaft. Letztere wird nicht immer durch Wahlen repräsentiert. Der Impuls zur Kritik an der Regierungspolitik Amerikas zu Vietnam kam doch mitten aus dem gesellschaftlichen Herzen des jungen Amerika; ich erinnere mich an den mächtigen Aufbruch Woodstock, der aber erst später wirksam wurde.
Wenn wir eine bessere Welt wollen, dürfen wir es nicht bei der notwendigen Kritik an den Verbrechen bewenden lassen, sondern müssen versuchen, uns mit den fortschrittlichen und kritischen Kräften der zu kritisierenden Länder zu verbünden.

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Catinat
Gast










BeitragVerfasst am: 03.02.2010, 02:41    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Ich habe leider versäumt, am 6.Januar auf den vierten Jahrestag des Todes eines Mannes aufmerksam zu machen, dessen Heldentum im Schatten des fürchterlichen und verbrecherischen Massakers von My Lai steht. Ich möchte das jetzt nachholen. Ich benutze den Begriff „Held“ nie gerne im Zusammenhang mit einem Krieg. Wirkliche Helden und natürlich besonders Heldinnen im Krieg sind meistens namenlos. Meine Mutter rettete mein Leben mehrmals unter Gefahr des Verlusts ihres Lebens, vor allem, als sie mit mir als Baby im Arm zum vielleicht rettenden Strand rannte, während hinter ihr die Stadt Danzig im Feuerhagel russischer Stalinorgeln versank und sie unter Beschuss dem Kapitän eines deutschen Schiffes mich als lebendes Paket ins Boot rüberreichte.
Der Held ist Amerikaner, geboren im gleichen Jahr wie ich, 1943, sein Name Hugh C. Thompson. Nach einer Ausbildung als Freiwilliger in der US Navy ab 1961 trat er 1966 in die US Armee ein und ließ sich zum Hubschrauberpiloten ausbilden. In Vietnam flog er Aufklärungsflüge für die Task Force Barker. Am 16.März 1968 flog Thompson mit seiner Besatzung , Lawrence Colburn und Glenn Andreotta , in seinem Hubschrauber Hiller H-23 in der Nähe des Dorfes My Lai und erblickte tote Zivilisten am Boden. Er ließ landen und die drei setzten Leuchtfeuermarkierungen für die noch lebenden verletzten Vietnamesen. Auf dem Rückweg trafen sie Captain Ernest Medina, der auf die verletzten Vietnamesen schoss. Darüber wollten sie den Lt. Stephen Brooks in My Lai informieren, doch der bereitete gerade die Sprengung einer Hütte mit verletzten Vietnamesen vor. Thompson befahl Andreotta und Colburn, bei den M60-Maschinengewehren zu bleiben und auf jeden Amerikaner zu schießen, der sich weiter an den Massakern beteiligte. Thompson holte zwei weitere Hubschrauber zur Hilfe, um die elf noch lebenden verletzten Vietnamesen zu bergen und zu versorgen. Während des Abflugs bemerkte noch einer ein Kind zwischen den Toten, das sich bewegte. Auch das bargen sie und brachten alle Verletzten in das Krankenhaus von Quang Ngai.
1998 erhielten Thompson und Colburn die Soldier´s Medal for Heroism, Andreotta posthum.
1999 bekamen sie sie den Peace Abbey Courage of Conscience Award.
1998 kehrten Colburn und Thompson noch einmal nach My Lai zurück und trafen sich mit den von ihnen Geretteten und mit dem beim Massaker achtjährigen Do Hoa.
In einem Fernsehinterview sagte Thompson 2004 : „Ich wünschte, ich hätte genug menschliche Größe, ihnen (den Mördern) zu vergeben, aber, bei Gott, ich kann es nicht.“
Am 06.01.2006 starb Thompson in einem Kriegsveteranen- Krankenhaus an Krebs, nach fünf Hubschrauberabstürzen durch Beschuss schwer an gebrochener Wirbelsäule und von psychischen Schäden gezeichnet.

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Cathrin
Gast










BeitragVerfasst am: 03.02.2010, 11:12    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Ich moechte auch an einen der anstaendigen Amerikaner erinnern. Am 27. Januar 2010 starb der Historiker und Politikwissenschaftler Professor Howard Zinn im Alter von 87 Jahren.

Im Zweiten Weltkrieg war Howard Zinn Bomberpilot. Nach dem Krieg war er, Zeit seines Lebens, Friedensaktivist und Dissident. Er engagierte sich in der Buergerrechtsbewegung und beteiligte sich in den vergangenen 50 Jahren an vielen anderen Kaempfen fuer soziale Gerechtigkeit.

Als er aus dem Krieg heimkehrte, bekam Zinn ein Soldaten-Stipendium gemaess dem GI-Gesetz. Er studierte zunaechst an der New York University und schloss mit einem Mastergrad ab. Danach machte er an der Columbia University seinen Doktor in Geschichte.

Ende der 50ger Jahre zog Zinn nach Atlanta, um am Spelman-College zu unterrichten. Es war ein College, das ausschliesslich schwarze Frauen aufnahm. Dort wurde Zinn tief in die Buergerrechtsbewegung hineingezogen. Er wurde wegen Insubordination gefeuert, weil er sich fuer seine Studentinnen eingesetzt hatte. Nach seiner Entlassung wurde er Professor an der University of Boston.

1967 veroeffentlichte er das Buch Vietnam: The Logic of Withdrawal. Es war das erste Buch ueber den Vietnamkrieg, das zu einem sofortigen, bedingungslosen Rueckzug aus Vietnam aufrief. Ein Jahr spaeter reiste er mit Pater Daniel Berrigan nach Vietnam, um die ersten drei amerikanischen Kriegsgefangenen heimzuholen, die von den Nordvietnamesen freigelassen wurden. Zinn und Berrigan waren die ersten Amerikaner, die Nordvietnam seit Kriegsbeginn besuchten. Auszug aus einem Interview nach seiner Rueckkehr:
Zitat:
Pater Berrigan und ich befinden uns auf der Rückreise. Es mag überheblich klingen, aber auf der Rückreise, als wir Paris gerade hinter uns hatten, schickten wir ein Telegramm an das Weiße Haus - ich glaube, mit unseren letzten 15 Kröten -, in dem in etwa Folgendes stand: "Wir möchten gern mit Präsident Johnson reden. Würden Sie sich bitte mit uns treffen? Wir kommen gerade aus Hanoi. Wir haben soeben mit Premier Pham Van Dong gesprochen. Aber in der Zeitung lesen wir, dass Sie sagen, die Nordvietnamesen wären nicht zu Verhandlungen bereit. Was wir von Pham Van Dong erfahren haben, scheint dies zu widerlegen. Wir möchten uns gerne mit Ihnen darüber unterhalten und auch über die Freilassung von Gefangenen. Letzteres wurde, wie es uns scheint, falsch angepackt". Bis jetzt haben wir noch keine Antwort von LBJ (Anmerkung d. Übersetzerin: US-Präsident Lyndon B. Johnson) erhalten.


Daniel Ellsberg, der Enthüller der geheimen Pentagon Papers, zog Howard Zinn zu Rate, als er nach einem Versteck fuer seine Geheimunterlagen suchte, bis er sie an die Presse durchsickern lassen wuerde. Howard Zinn und seine Frau Rozlyn versteckten sie. 1971 wurden Zinn und Ellsberg bei einer Protestveranstaltung gegen den Vietnamkrieg in Boston von der Polizei zusammengeschlagen.

1980 veroeffentlichte Howard Zinn ein Werk, das zum Klassiker werden sollte: A People's History of the United States (Eine Geschichte des amerikanischen Volkes). Es wurde mehr als eine Million mal verkauft und veraenderte den Blick der Amerikaner auf ihre Geschichte. Sein letztes Buch, Young People’s History of the United States erschien im Jahre 2005. Bei der Vorstellung dieses Werkes sagte er:

Zitat:
Ja, stimmt. Immer wieder haben mich Leute gefragt: Sollen wir den Kids wirklich erzählen, dass Columbus (von dem ihnen ja gesagt worden war, er sei ein großer Held), Indianer verstümmelt, entführt und getötet hat - auf der Suche nach Gold? Sollen wir den Leuten sagen, dass Theodore Roosevelt, einer unserer großen Präsidenten, in Wirklichkeit ein Kriegstreiber war, der militärische Abenteuer liebte und einem amerikanischen General gratulierte, der auf den Philippinen ein Massaker veranstaltet hatte? Sollen wir jungen Leuten das erzählen?
Ich denke, die Antwort lautet: Wir sollten ehrlich zu den Jungen sein; wir sollten sie nicht täuschen. Wir sollten ehrlich sein, was die Geschichte unseres Landes angeht. Wir sollten traditionelle Helden - wie Andrew Jackson oder Theodore Roosevelt - nicht nur stürzen, sondern durch alternative Helden für die Jugend ersetzen.


Sein Tod ist ein grosser Verlust fuer die amerikanische Friedensbewegung.

Viele Gruesse
Cathrin

Online    
Catinat
Gast










BeitragVerfasst am: 03.02.2010, 23:24    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Ganz genau !Ich denke, durch solche Beiträge und durch rationale Forschung ohne ideologische Scheuklappen über das wahre Bild „traditioneller Helden“ und „alternativer Helden“ wird ein echter , bescheidener Beitrag geleistet, Kriege und ihre Ursachen zu verstehen. Ein konkreter Versuch mit einer emotionalen Seite dazu findet seit einiger Zeit in Deutschland statt, an Stellen, wo Unrecht an verfolgten Menschen verübt wurde, „Stolpersteine“ einzubauen. Obwohl auch das wieder zu Kontroversen gerade bei Opferangehörigen geführt hat. Viel zu wenig Schulen, viel zu wenige Straßen werden nach „alternativen Helden“ benannt. Leider sind wir Menschen so : durch die notwendige aufarbeitende Konfrontation mit den Verbrechen der eigenen Vorfahren nähern wir uns der Wahrheit. Aber nur mit der Konfrontation positiver Beispiele gewinnen wir den Mut, an Vorbildern etwas mehr vorbildhaftes Verhalten zu … ja, zu was ? – zu zeigen, zu dokumentieren, zu erfahren, zu lernen , vielleicht. Hugh Thompson, Lawrence Colburn, Glenn Andreotta, Howard Zinn, Daniel Ellsberg, Duong Thu Huong, Bao Ninh und manche andere noch , Frauen und Männer, auch nicht prominent – auch auf lokaler Ebene - eignen sich m.E. dazu. Man soll nur nicht zögern, sie anzuhören, bevor es zu spät dafür ist.
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AndyNguyen




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BeitragVerfasst am: 04.02.2010, 08:56    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

Ich denke, jede Nation braucht ihre Helden. Leider ist es so, dass die jeweils herrschenden Klassen diese Helden definieren. Aber jeder, der ein Mindestmaß an Bildung genossen hat, wird in der Lage sein, sich seine eigenen Helden zu suchen. Wenn hier gefordert wird, im Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg nach der Wahrheit zu suchen, so halte ich dem entgegen, dass wohl nichts so subjektiv ist wie die "Wahrheit".

Nicht die Wahrheit prägt die Nachkriegsgesellschaft, sondern die subjektiven Erfahrungen und Eindrücke der Beteiligten und Leidtragenden. Erst wenn diese Generationen nicht mehr da sind, wird man sich "unbelastet" an eine solche Thematik heranwagen können. Wenn ich bei Youtube den Begriff "Vietnam War" eingebe und zu den diversen Beiträgen die Kommentare lese, überfällt mich jedesmal ein Kotzreiz. US-Veteranen, die noch heute der Meinung sind, man hätte die Welt retten können, kotzen mich in ihrer Enfalt genauso an, wie vietnamesische Patrioten, die ihre Massaker mit dem Freiheitskampf einer Nation begründen. Nur, sind wir, die wir den Krieg aus dem zeitlichen Abstand von Jahrzehnten betrachten nicht auch etwas überheblich? Welche anderen Möglichkeiten hatten den die Betroffenen?

_________________
Ai làm nấy chịu
(dt.: Jeder ist für seine Taten selbst verantwortlich)

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Catinat
Gast










BeitragVerfasst am: 04.02.2010, 22:41    (Kein Titel) Antworten mit ZitatNach oben

"Wahrheit" - steht doch da : wir können uns ihr NÄHERN. Wir werde sie nicht treffen. Einverstanden,dass dazu Abstand gehört. Steht auch da : das "wahre" Bild der "Helden". Wir werden nur ein Bild bekommen. Und das ist in den Geschichtsbüchern häufig "unwahr",finde ich. Weil das Abbild der einen Seite oft verschwiegen wird : Alexander, Konstantin, die "Großen", Napoleon : mehr Annäherung an die "Wahrheit" wäre, aufzuzeigen, dass sie Massen von Menschen abschlachten ließen, dass sie - nicht nur, aber auch : Massenmörder waren, nicht nur die Welt und ihr Reich Ordnende oder Befreiende. Das nachzuweisen wäre genauso ein Beitrag, die Wahrheit zu finden, wie auch der Versuch, in beiden von zwei gegnerischen Lagern die zu finden, die trotz der Gemetzel sich um etwas Humanität bemühten. Wahrheit darf nicht nur subjektiv bleiben.
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